Zunächst mag es eher überraschend klingen, dass ein Fahrzeugführer zwar „geblitzt“, später aber im Gerichtsverfahren trotzdem vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen wurde.
Genau so geschah es jedoch am 08.12.2017 im Prozess des Amtsgerichts Jülich zum Aktenzeichen 12 OWi-806 Js 2072/16-122/16. Dort war einem Verkehrsteilnehmer zur Last gelegt worden, er habe einen Verstoß gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit begangen. Dies hatte aber der betroffene Fahrzeugführer durch seinen anwaltlichen Vertreter ausdrücklich bestreiten lassen.
Daraufhin musste durch Gutachter überprüft werden, ob die in Rede stehende Geschwindigkeitsmessung tatsächlich korrekt zu Stande kam. Im Ergebnis entsprechender Untersuchungen hatten sich dann mehrere Fragen ergeben, welche insbesondere die Bauartzulassung des eingesetzten Messgerätes betrafen. Diese konnten letztlich keiner zufriedenstellenden Beantwortung zugeführt werden. Deshalb war im Verfahren des Amtsgerichts Jülich der dort betroffene Fahrzeugführer ausnahmslos freigesprochen worden.
Daher sollte sich jeder Adressat einer Anhörung oder gar eines Bußgeldbescheides immer von einem qualifizierten Rechtsanwalt unterstützen lassen, also nicht nur in Bezug auf die hier dargestellte Zulassungsproblematik. Denn so verschieden wie die Funktionsweisen der einzelnen Geschwindigkeitsmessgeräte sind, so vielfältig können auch die Gründe für eine Unverwertbarkeit erhobener Daten sein. Selbst die einmal erteilten Bauartzulassungen sind kein Garant dafür, dass beim späteren Einsatz der jeweiligen Geräte immer zwingend von einer ordnungsgemäßen Messung ausgegangen werden muss. Dies gilt erst recht, weil Fehler nicht nur bei der Gerätenutzung auftreten können, sondern zum Teil auch im Rahmen der Datenauswertung.
All diese Aspekte sind unter Umständen dafür geeignet, eine Geldbuße unter die entscheidende Grenze von 60,00 € zu drücken und hierdurch eine negative Registrierung im Flensburger Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamtes zu vermeiden.
Aber selbst dann, wenn sich keinerlei Einwände gegen die Richtigkeit des Messergebnisses ergeben sollten, sind Fälle denkbar, in denen es ratsam erscheint, sich von einem spezialisierten Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Bei einer entsprechenden Argumentation ist es nämlich zum Teil möglich, die Anordnung eines Fahrverbotes – gegebenenfalls durch Umwandlung in eine angemessen erhöhte Geldbuße – zu vermeiden.
Bedenken sollte man jedoch, dass für eine anwaltliche Vertretung meist nicht unerhebliche Kosten entstehen können. Diese werden aber in aller Regel von einer Verkehrsrechtsschutzversicherung getragen. Aus diesem Grunde ist es zu empfehlen, jedenfalls beim Bestehen einer solchen Versicherung schon unmittelbar nach Erhalt der schriftlichen Anhörung sofort einen fachkundigen Rechtsanwalt aufzusuchen.
Ivo Sieber
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Verkehrsrecht sowie
Sozius der Rechtsanwälte Alexander Troll & Ivo Sieber