Eine Horrorvorstellung für jeden Autofahrer – gerade noch in ausgelassener Ferienlaune und plötzlich kracht es. Der nachfolgende Fahrzeugführer war unaufmerksam. Ein Auffahrunfall, dessen Folgen nach deutschem Recht unproblematisch reguliert werden könnten. Doch wie verhält es sich, wenn die Kollision im Ausland stattfand? Wer ist in diesen Fällen schadenersatzpflichtig?
Bei allem Stress und trotz größter Aufregung sollte man stets versuchen, sämtliche Beweise zu sichern. Wichtig ist insbesondere, das Kfz-Kennzeichen des Unfallgegners und wenn möglich, auch dessen Haftpflichtversicherung zu notieren. Des Weiteren kann es nie ein Fehler sein, wenn vom Kollisionsort sowie vom Endstand der am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuge sofort aussagekräftige Fotos angefertigt werden. Bei Personen- und größeren Sachschäden sollte darüber hinaus die örtliche Verkehrspolizei herbeigerufen werden. In diesen Fällen ist im Übrigen auch empfehlenswert, sich vom amtlichen Unfallprotokoll einen Durchschlag aushändigen zu lassen.
Die eigentliche Schadensregulierung kann dann mit fachkundigem Rechtsbeistand regelmäßig direkt von Deutschland aus veranlasst werden. Dies gilt zumindest dann, wenn das am Unfall beteiligte Kraftfahrzeug innerhalb der Europäischen Union, in Lichtenstein, Island oder Norwegen versichert war und dort auch seinen gewöhnlichen Standort hatte. In diesen Fällen ist es nämlich möglich, auf die – mit verbraucherfreundlichen Bestimmungen ausgestattete – 4. EU-Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Richtlinie zurückzugreifen.
Danach kann beispielsweise beim inländischen Zentralruf der Autoversicherer in Erfahrung gebracht werden, wer in Deutschland als Schadensregulierungsbeauftragter zuständig ist. Diesem gegenüber besteht sodann die Möglichkeit, sämtliche Schadensersatzansprüche geltend zu machen und zwar – dies ist der erhebliche Vorteil – in deutscher Sprache. Damit können insbesondere zeitraubende Umwege über ausländische Anwälte oder kostspielige Dolmetscher vermieden werden.
Nach einer Entscheidung des OLG Köln vom 12.09.2005 (Az. 16 U 36/05) soll es unter Verweis auf die – in Deutschland noch nicht umgesetzte – 5. KH-Richtlinie der Europäischen Union sogar möglich sein, die ausländische Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung direkt vor einem deutschen Gericht zu verklagen.
Es ist jedoch die Tatsache zu beachten, dass bei der Schadensregulierung grundsätzlich auf das Recht des Unfalllandes zurückgegriffen werden muss. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass sich der Geschädigte bzw. dessen Anwalt im Recht des betreffenden Landes zumindest dann immer gut auskennen muss, wenn ein Auslandsschaden in Deutschland reguliert werden soll. In den Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland können nämlich bei Personenschäden oft außerordentlich hohe Schmerzensgeldbeträge durchgesetzt werden. Dafür werden wiederum bei Sachschäden deutliche Abstriche vorgenommen.
Bei besonders schwerwiegenden Personenschäden oder aber bei Unfällen in Nicht-EU-Ländern ist jedoch nach wie vor eine direkte Schadensregulierung über die ausländische Assekuranz zu empfehlen. Es sollte allerdings in allen Fällen stets darauf geachtet werden, dass die eigenen Interessen von einem fachkundigen Rechtsbeistand vertreten werden. Die hierbei anfallenden Kosten können regelmäßig gegenüber der – grundsätzlich zu empfehlenden – Rechtsschutzversicherung geltend gemacht werden.
Ivo Sieber
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Verkehrsrecht sowie
Sozius der Rechtsanwälte Alexander Troll & Ivo Sieber